Nie mehr 60-Stunden-Wochen!
Zusammenfassung: Lenke schnell den Fokus aufs Wesentliche, indem du bei jedem Text eine Vorausschau machst. Vertraue deinem Bauchgefühl und triff immer eine klare Entscheidung für oder gegen das Lesen. So beherrschst du die Informationsflut und nicht sie dich.
2003 las ich in der Stuttgarter Zeitung einen Bericht mit der Überschrift „Den roten Faden nicht verlieren“. Damals war ich noch Abteilungsleiter und Großprojektleiter in einem großen IT-Haus und hatte zusätzlich zu vielen anderen Texten noch jeden Tag mindestens 100 E-Mails im Posteingang. Die Journalistin berichtete in diesem Artikel von ihrer Trainingserfahrung mit Improved Reading. Das war mein erster Kontakt mit dem Thema „Speed Reading“.
Vielleicht hast du – so wie ich damals – ein paar Vorbehalte zu diesem Thema. Bei mir war einerseits das Ego sehr laut, das mir sagte „Was wollen die dir noch zeigen, du bist doch schon ein guter, schneller Leser?“, und eine andere Stimme mahnte „Schneller lesen und dann noch besser verstehen, das geht doch gar nicht!“. Aber ich hoffe auch bei dir siegt die Neugier und vielleicht auch die Befürchtung, sonst in der Informationsflut zu ertrinken.
Nach dem Training sagte ich zu meinem Trainer Wolfgang Schmitz:¹ „Das muss doch jeder Erwachsene machen!“
Was genau hat dazu beigetragen, dass die Informationsflut seither kein Problem mehr für mich ist? Meinem Bauchgefühl zu vertrauen und viel schneller fundierte Entscheidungen zu fällen! In Bezug aufs Lesen war es die Entscheidung, ob ich etwas überhaupt lesen möchte oder nicht. Der Schlüssel dazu ist die Vorausschau.
Wie geht eine Vorausschau?
Bei der Vorausschau sehe ich mir den Text zuerst nur kurz an und prüfe, ob darin etwas Wichtiges für mich stehen könnte. Nur wenn der Text mich interessiert und für mich Relevantes enthält, beschäftige ich mich intensiver damit. Sonst lasse ich es einfach sein.
Welche Vorteile hat eine Vorausschau?
- Du hast schon einen inhaltlichen Überblick über den gesamten Text und ein Gefühl für Umfang, Struktur und Schwierigkeitsgrad.
- Dieses Wissen gibt dir die Möglichkeit dich auch gegen das Lesen zu entscheiden. Das spart viel Zeit und die Informationsflut schrumpft zu einem Bächlein zusammen.
- Wenn du dich für das Lesen entscheidest, kannst du selektiver Lesen, weil du schon eine Vermutung hast, wo das Wesentliche steht und musst den Text nicht vollständig lesen. Das befreit!
Ein Problem aus der Praxis
Bevor ich Schnellleser wurde, habe ich gedacht, dass jede Information, die bei mir landet, z. B. eine E-Mail, wichtig und deshalb lesenswert ist. Mein Problem war aber, dass ich in meiner Rolle als Führungskraft tagsüber fast nie an meinem Arbeitsplatz war, sondern ständig unterwegs und in Besprechungen. Somit hatte ich mich selbst dazu verdonnert, länger im Büro zu bleiben oder früher zu kommen, um die E-Mails zu erledigen.
Bei anderen ist es vielleicht die hohe Arbeitslast oder die Konzentration auf die wichtigen Aufgaben, die dazu führt, dass der E-Mail Postkorb überläuft, oder sie zuhause noch mal „ins Büro gehen“, um E-Mails oder Dokumente zu bearbeiten. Kennst du das auch?
Mein Geheimtipp zum Umgang mit E-Mails
Damals habe ich das Problem für mich folgendermaßen gelöst (und vielleicht ist das auch für dich ein guter Weg): In vielen Fällen genügt ein Blick auf den/die Absender*in einer E-Mail und auf die Betreffzeile, um zu wissen, was in der E-Mail steht. Ich konnte damit schon 50 % meiner E-Mails sofort löschen.
Die anderen E-Mails öffnet man und macht dann eine intensivere Vorausschau. Wenn man dabei feststellt, dass man nur in Kopie ist – erledigt! Man sieht, ob es Anhänge gibt und natürlich, um was es grob in der E-Mail geht. Hier hilft es, z. B. auf Hervorhebungen im Text zu achten. Bei mir waren dadurch noch mal ca. 45 % der E-Mails sofort erledigt.
Am Ende blieben noch ca. 5 % übrig, mit denen ich mich intensiver beschäftigen musste. Da ich nun die Techniken für effizientes Lesen beherrschte, war ich auch damit schnell fertig. Ergebnis: Keine unnötigen Überstunden mehr!
Wenn du jetzt mal bewusst darauf schaust, wie du bisher mit Texten umgegangen bist, wirst du vielleicht feststellen, dass du gelegentlich schon etwas Vergleichbares wie die Vorausschau machst. Was ich gelernt habe und bis heute praktiziere ist, dass ich die Vorausschau bei wirklich jedem Text mache. Konsequent!
Mit den folgenden Fragen möchte ich dir noch ein paar Anstöße geben, dein eigenes Leseverhalten und deinen Umgang mit Texten zu reflektieren. Wenn du nur eine der Fragen mit Ja beantwortest, deutet das darauf hin, dass du in diesem Fall nicht bewusst, konsequent und systematisch mit diesem Text umgegangen bist. Wahrscheinlich hast du auch keine Vorausschau gemacht. Am besten gleich mal ausprobieren: Vorausschau machen, Entscheidungen fällen und den roten Faden behalten.
Fragen für dich:
- Hast du schon öfter erlebt, dass du nach dem Lesen eines Textes keine Ahnung hattest, was der Inhalt war?
- Fällt dir mitunter erst nach längerem Lesen auf, dass der Text total uninteressant für dich ist und gar nicht die Informationen enthält, die du dir versprochen hattest?
- Trägst du öfter Dokumente mit dir herum, ohne dich dann wirklich mit ihnen zu beschäftigen?
- Findest du bei längeren Texten (z. B. E-Mails), immer wieder Ausreden, sie nicht gleich zu bearbeiten?
Wenn du diesen Beitrag nützlich fandst oder dir ein lieber Mensch einfällt, der gerade in der Informationsflut zu ertrinken scheint, dann leite diesen Effizienztipp bitte weiter!
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Autor des heutigen Effizienztipps:
Thomas Wunderberg ist Improved-Reading-Trainer und Lese-Experte. Als ausgebildeter Visualtrainer kümmert er sich auch um das Thema „gesundes Sehen“, das für effizientes Lesen natürlich besonders wichtig ist. Thomas hat es gern einfach, effizient und entspannt, deshalb ist das auch das Motto von e³ trainings.
Literaturtipps:
Mein Ausbilder, Wolfgang Schmitz, hat auch mehrere Bücher zum Thema herausgegeben.
- Schneller lesen – besser verstehen, Wolfgang Schmitz, Rowohlt 2013; Link zur Verlagsseite: https://www.rowohlt.de/buch/wolfgang-schmitz-schneller-lesen-besser-verstehen
- Schneller lesen – besser verstehen für Jugendliche, Britta Sösemann, Wolfgang Schmitz, Rowohlt 2011, antiquarisch erhältlich; Link zur Verlagsseite: https://www.rowohlt.de/buch/wolfgang-schmitz-britta-soesemann-schneller-lesen-besser-verstehen-fuer-jugendliche